Sola 1961 — Val Bavona — A rivederci

Der Schluss-Trupp

Der Schluss-Trupp

Wer nicht mit auf die Schluss-Tour ging, war auto­ma­tisch beim Schluss-Trupp da­bei. Mir als “Lo­gi­stik-Ver­ant­wort­li­chem” der Lager­lei­tung ob­lag die Lei­tung die­ses Schluss-Trupps. Sei­ne Auf­ga­ben wa­ren:

  • Der Material-Rück­schub (Ver­sand al­len Ma­te­rials, das nicht mit auf die Schluss-Tour ging).
  • Schluss-Räumung und Ab­ga­be der Un­ter­künf­te.
  • Abrechnung mit den Haus­be­sit­zern und Le­bens­mit­tel-Lie­fe­ran­ten, etc.
  • Rückfahrt or­ga­ni­sie­ren und die Schluss­tour-Leu­te recht­zei­tig in Airo­lo tref­fen und noch­mals ver­pfle­gen.

Der Material-Rückschub brach­te uns na­tür­lich wie­der mit dem Mag­gia-Ex­press in Kon­takt.

Der Maggia-Express
Auss_309 – «La Valmaggina»

Material-Rückschub

Jeder Trupp hatte sein Ma­te­rial in Ki­sten und Säc­ken ver­packt in sei­ner Un­ter­kunft be­reit­ge­stellt. Un­ser Le­bens­mit­tel­lie­fe­rant (La­fran­ca in Ca­ver­gno) war auch un­ser Trans­port-Un­ter­neh­mer. Mit sei­nem Klein-Las­ter sam­mel­ten wir al­les ein und führ­ten es zum Bahn­hof in Bi­gna­sco.

Damals gab es einen Spe­zi­al­ta­rif bei den Bah­nen “La­ger­zel­te und Cam­ping-Ma­te­rial”. Da konn­te man — vor­aus­ge­setzt man hat­te ein Kol­lek­tiv­bil­let für die ent­spre­chen­den Pfa­der — für Fr. 5.- pro Ge­päck­stück bis zu 25 kg als “Pas­sa­gier­gut” auf­ge­ben, d.h. es reis­te mit dem sel­ben Zug mit, den man auch be­nutz­te. So konn­te man vor al­lem auch nas­se Zel­te bei der An­kunft so­fort am Bahn­hof ab­ho­len, um sie recht­zei­tig vor dem Grau-Wer­den zu trock­nen. Die­ser Ta­rif war aber nicht al­len Schal­ter­be­am­ten ge­läu­fig. Da muss­te man ih­nen oft­mals er­klä­ren, um wel­chen Ta­rif (mit Num­mer) es sich da­bei han­del­te. Der Ta­rif galt auch für die gan­ze Schweiz; nur we­ni­ge Pri­vat­bah­nen mach­ten nicht mit. So­gar Post­autos mach­ten nach Mög­lich­keit mit, al­ler­dings gab es da et­wa Platz­prob­le­me für gros­se Grup­pen.

Der Bahnof Bignasco
Die­ses Ka­bäus­chen ist der Bahn­hof, samt Schal­ter und Wart­saal (1965)
Top

Und das in Bi­gna­sco! Als ers­tes stell­ten wir fest, dass wir die Ge­päck­stüc­ke wä­gen müs­sen. Die Tü­re am Sta­ti­ons-Ka­bäus­chen war aber so schmal, dass wir we­der die Ma­te­rial­kis­ten rein noch die Waa­ge raus brin­gen konn­ten. Als Al­ter­na­ti­ve gab es noch eine “Schie­nen­waa­ge”, mit der gan­ze Gü­ter­wa­gen mit und oh­ne La­dung ge­wo­gen wur­den. Die Ge­nau­ig­keit die­ser Waa­ge war nicht ge­ra­de über­zeu­gend, und sie zeig­te schon 50 kg an, wenn noch gar nichts drauf stand. Zwei Pfa­der wur­den mit die­ser Schie­nen­waa­ge ver­traut ge­macht und wo­gen nun die Ge­päck­stüc­ke ein­zeln (zo­gen na­tür­lich im­mer die­se 50 kg ab) und mel­de­ten mir im Ka­bäus­chen je­weils Trupp-Na­men und Ge­wicht.

Ich mel­de­te die Stüc­ke dem Bahn­hof­vor­stand, der die ent­spre­chen­den Eti­ket­ten und Emp­fangs­schei­ne aus­stel­len muss­te. Klar, dass er den ent­spre­chen­den Ta­rif auch nicht kann­te; da ich aber die Num­mer an­ge­ben konn­te und so­gar noch einen Schein von der Hin­fahrt zei­gen konn­te, schau­te er nach, ob er die­sen Ta­rif auch be­säs­se. So war das mal ge­re­gelt.

Nun musste ich pein­lich drauf ach­ten, dass ich noch wuss­te, wel­chen Emp­fangs­schein ich wel­chem Trupp­füh­rer wür­de über­ge­ben müs­sen, und da­für sor­gen, dass die Pfa­der wuss­ten, wel­che Eti­ket­te (mit gros­ser Num­mer) an wel­che Kiste zu kle­ben war, da­mit wir dann zu hause nicht wo­chen­lang Ma­te­rial sor­tie­ren und über die Stadt ver­teilt aus­tau­schen müss­ten. Al­so dik­tier­te ich dem Be­am­ten, was er auf je­den Zet­tel zu schrei­ben hat­te (inkl. Preis) und nahm ihm je­den wie­der ab, um die Eti­ket­ten den Pfa­dern mit In­struk­ti­on zu ge­ben und auf den Emp­fangs­schei­nen den Trupp-Na­men (und even­tu­ell auch Grup­pen-Na­men) zu no­tie­ren.

Top

Schon nach dem zwei­ten Zet­tel ge­stand mir der Be­am­te, dass jetzt der Block auf­ge­braucht sei, und er hät­te kei­nen wei­tern Block hier in Bi­gna­sco. Da gleich ein Gü­ter­zug ab­fah­ren wer­de, fah­re er da mit bis Ce­vio, ho­le einen neu­en Block und kom­me da­mit so­fort mit dem Ve­lo zu­rück. Das gab uns eine hal­be Stun­de Pau­se für ein Znü­ni.

Nach seiner Rück­kehr fer­tig­ten wir wei­te­re et­wa 25 oder 30 Ge­päck­stüc­ke ab. Dann muss­te er uns noch ein Kol­lek­tiv­bil­let für den Schluss-Trupp bis Airo­lo aus­stel­len, von wo wir dann mit an­de­ren heim­fah­ren wür­den. In­zwi­schen hat­te ich auch schon al­le Prei­se zu­sam­men­ge­zählt (Ta­schen­rech­ner wa­ren auch auf einer Bahn­sta­ti­on noch nicht üb­lich). Als er die­sen Schluss­be­trag hör­te, war er so be­geis­tert, dass er heu­te so viel Geld ein­neh­men kön­ne, dass er nichts nach­rech­ne­te, son­dern mich gleich zum Mit­tag­es­sen ein­lud.

Bahnservice: Wo bist du geblieben?

Erich Brauchli v/o Chüngel


Sende ein E-mail an Erich Brauchli v/o Chüngel (erich@brauchli.eu) für Kommentare jeder Art, für hochauflösende elektronische Kopie oder Papier-Abzüge.


Top