Wer nicht mit auf die Schluss-Tour ging, war automatisch beim Schluss-Trupp dabei. Mir als “Logistik-Verantwortlichem” der Lagerleitung oblag die Leitung dieses Schluss-Trupps. Seine Aufgaben waren:
Der Material-Rückschub brachte uns natürlich wieder mit dem Maggia-Express in Kontakt.
Jeder Trupp hatte sein Material in Kisten und Säcken verpackt in seiner Unterkunft bereitgestellt. Unser Lebensmittellieferant (Lafranca in Cavergno) war auch unser Transport-Unternehmer. Mit seinem Klein-Laster sammelten wir alles ein und führten es zum Bahnhof in Bignasco.
Damals gab es einen Spezialtarif bei den Bahnen “Lagerzelte und Camping-Material”. Da konnte man — vorausgesetzt man hatte ein Kollektivbillet für die entsprechenden Pfader — für Fr. 5.- pro Gepäckstück bis zu 25 kg als “Passagiergut” aufgeben, d.h. es reiste mit dem selben Zug mit, den man auch benutzte. So konnte man vor allem auch nasse Zelte bei der Ankunft sofort am Bahnhof abholen, um sie rechtzeitig vor dem Grau-Werden zu trocknen. Dieser Tarif war aber nicht allen Schalterbeamten geläufig. Da musste man ihnen oftmals erklären, um welchen Tarif (mit Nummer) es sich dabei handelte. Der Tarif galt auch für die ganze Schweiz; nur wenige Privatbahnen machten nicht mit. Sogar Postautos machten nach Möglichkeit mit, allerdings gab es da etwa Platzprobleme für grosse Gruppen.
Und das in Bignasco! Als erstes stellten wir fest, dass wir die Gepäckstücke wägen müssen. Die Türe am Stations-Kabäuschen war aber so schmal, dass wir weder die Materialkisten rein noch die Waage raus bringen konnten. Als Alternative gab es noch eine “Schienenwaage”, mit der ganze Güterwagen mit und ohne Ladung gewogen wurden. Die Genauigkeit dieser Waage war nicht gerade überzeugend, und sie zeigte schon 50 kg an, wenn noch gar nichts drauf stand. Zwei Pfader wurden mit dieser Schienenwaage vertraut gemacht und wogen nun die Gepäckstücke einzeln (zogen natürlich immer diese 50 kg ab) und meldeten mir im Kabäuschen jeweils Trupp-Namen und Gewicht.
Ich meldete die Stücke dem Bahnhofvorstand, der die entsprechenden Etiketten und Empfangsscheine ausstellen musste. Klar, dass er den entsprechenden Tarif auch nicht kannte; da ich aber die Nummer angeben konnte und sogar noch einen Schein von der Hinfahrt zeigen konnte, schaute er nach, ob er diesen Tarif auch besässe. So war das mal geregelt.
Nun musste ich peinlich drauf achten, dass ich noch wusste, welchen Empfangsschein ich welchem Truppführer würde übergeben müssen, und dafür sorgen, dass die Pfader wussten, welche Etikette (mit grosser Nummer) an welche Kiste zu kleben war, damit wir dann zu hause nicht wochenlang Material sortieren und über die Stadt verteilt austauschen müssten. Also diktierte ich dem Beamten, was er auf jeden Zettel zu schreiben hatte (inkl. Preis) und nahm ihm jeden wieder ab, um die Etiketten den Pfadern mit Instruktion zu geben und auf den Empfangsscheinen den Trupp-Namen (und eventuell auch Gruppen-Namen) zu notieren.
Schon nach dem zweiten Zettel gestand mir der Beamte, dass jetzt der Block aufgebraucht sei, und er hätte keinen weitern Block hier in Bignasco. Da gleich ein Güterzug abfahren werde, fahre er da mit bis Cevio, hole einen neuen Block und komme damit sofort mit dem Velo zurück. Das gab uns eine halbe Stunde Pause für ein Znüni.
Nach seiner Rückkehr fertigten wir weitere etwa 25 oder 30 Gepäckstücke ab. Dann musste er uns noch ein Kollektivbillet für den Schluss-Trupp bis Airolo ausstellen, von wo wir dann mit anderen heimfahren würden. Inzwischen hatte ich auch schon alle Preise zusammengezählt (Taschenrechner waren auch auf einer Bahnstation noch nicht üblich). Als er diesen Schlussbetrag hörte, war er so begeistert, dass er heute so viel Geld einnehmen könne, dass er nichts nachrechnete, sondern mich gleich zum Mittagessen einlud.
Bahnservice: Wo bist du geblieben?
Erich Brauchli v/o Chüngel
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