W_Kernspeicher_Makro_1 Kernspeicherplatine — Detail (Foto: Konstantin Lanzet) |
W_Kernspeicher_Makro_1 Kernspeicherplatine — Detail (Foto: Konstantin Lanzet) |
Der Kernspeicher, Magnetkernspeicher, oder auch Ferritkernspeicher (englisch magnetic-core memory oder ferrite-core memory) ist eine frühe Form nichtflüchtiger Speicher von elektronischen Rechenmaschinen. Er besteht aus auf Drähten aufgefädelten hartmagnetischen Ringkernen (engl. cores), die durch elektrische Ströme in den Drähten ummagnetisiert und ausgelesen werden können. Das Vorzeichen der magnetischen Remanenz der einzelnen Ringkerne repräsentiert deren Speicherinhalt.
Kernspeicher wurden etwa von 1950 bis 1980 in den damals üblichen Rechenmaschinen eingesetzt. Heute gibt es nur noch vereinzelte Anwendungsfälle, z.B. in der Signaltechnik der Eisenbahn, wobei die Beschaffung von Ersatzteilen, selbst für einzelne “1 Bit” Speicher zu einem grossen Problem geworden ist.
In allgemeinerem Sinn wird der Begriff aber auch für Arbeitsspeicher in anderen, neueren Technologien verwendet, im Sinne von “Speicher im Kern des Rechners”.
Die ersten Arbeiten führte 1949 der in Shanghai geborene Physiker An Wang an der Harvard Universität aus. Im Gegensatz zum MIT war Harvard nicht daran interessiert, seine eigenen Erfindungen patentieren zu lassen. Wang erwarb das Patent selbst unter der Bezeichnung pulse transfer controlling device.
Jay Forresters Gruppe, die am Whirlwind-Projekt am MIT gearbeitet hatte, erfuhr von Wangs Arbeit. Whirlwind brauchte ein schnelles Speichersystem für einen Echtzeit-Flugsimulator. Bisher mussten dafür Laufzeitspeicher verwendet werden. Sogenannte Speicherröhren, basierend auf Kathodenstrahlröhren wie die Williamsröhre oder das Selectron, erlangten aufgrund von Fertigungsschwierigkeiten und geringer Zuverlässigkeit im Betrieb nie eine bedeutende Marktstellung und wurden Mitte der 1950er Jahre durch Kernspeicher abgelöst.
Zwei Schlüsselerfindungen führten zur Entwicklung des Kernspeichers, welche erst die Entwicklung der in der heutigen Zeit bekannten Computer erlaubte. Die erste, An Wangs, war der write-after-read Cycle (Schreiben-nach-Lesen-Zyklus), der das Problem löste, dass das Auslesen einer Information dieselbe auch zerstört: die magnetische Polarität der Ringkerne kann nur bestimmt werden, indem diese ummagnetisiert werden.
Die zweite, Jay Forresters, war das coincident-current system (Zusammenfallende Ströme), welches die Steuerung einer grossen Anzahl von Magnetkernen mit einer kleinen Anzahl von Drähten ermöglichte. Kernspeicher wurden manuell “gefädelt”. Die Arbeit wurde unter der Lupe durchgeführt und erforderte besondere Fingerfertigkeit.
In den späten 1950er Jahren wurden in Asien Fabriken gebaut, in denen Niedriglohnarbeiter die Kernspeicher herstellten. Die Preise wurden so weit gesenkt, dass sowohl der günstige, aber in der Leistung niedrige Trommelspeicher als auch die teuren Hochleistungs-Systeme mit Elektronenröhren in den frühen 1960ern abgelöst werden konnten.
Durch die mechanische Komplexität und dadurch voluminöse Bauform war die Kapazität der Kernspeicher begrenzt. Es wurden Ausführungen bis zu einigen Megabytes gebaut. Dazu wurden allerdings schon mehrere Schaltschränke benötigt, bei weniger Platz bzw. Aufwand kam man auf weniger als 100 Kilobytes.
Vereinfachter Ringkernspeicher mit Schreib- und Lesedraht. — W_Ring (Foto: Wdwd)
Auslesevorgang an der Hysteresiskurve verdeutlicht. Links: “1” wird gelesen, rechts “0” wird gelesen. — W_Hyster (Foto: Wdwd)
Obwohl die Herstellung der Kernspeicher kurz vor ihrer Automatisierung abgebrochen wurde, folgten die Kosten dem damals noch unbekannten Mooreschen Gesetz. Die Technologiekosten von anfangs ca. einem Dollar pro Datenbit sanken auf ca. 0,01 Dollar pro Datenbit, bis die Kernspeicher in den frühen 1970er Jahren durch die siliziumbasierten RAM abgelöst wurden.
Das Patent Wangs war noch bis 1955, als die Technologie bereits benutzt wurde, nicht genehmigt. Mehrere Gerichtsverfahren veranlassten IBM, Wang das Patent für mehrere Millionen Dollar abzukaufen. Wang nutzte das Geld, um die Wang Laboratories zu erweitern.
Siehe auch: Wikipedia (Kernspeicher). http://de.wikipedia.org/wiki/Kernspeicher (Wikipedia).
Das ECS (External Core Storage) von CDC war mit Platinen von einem Megabit ausgestattet. Diese Platinen wurden in Fernost von Frauen eingefädelt, 1 Million Ringlein, und durch jedes Ringlein 3 Drähte.
Das ECS wurde unter NOS-BE, resp. unter EMOS verwendet als:
Die TU Berlin hatte eine Zeitlang auch so ein ECS. Irgendwann produzierte es aber immer mehr Fehler. Der Grund war eine Baustelle ausserhalb des Hauses. Die Erschütterungen und Fibrationen brachten die Ringlein zum Tanzen (sich drehen). Dabei rapsten sie die Isolation der Drähte durch!
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