Zurzach Thermalbad
Bad Zurzach
Bad Zurzach (bis 1. Dezember 2006 offiziell: Zurzach, schweizerdeutsch: Zùùrzi [ˈt͡sʊːrt͡si], lateinisch Tenedone) ist eine Einwohnergemeinde im Kanton Aargau und der Hauptort des Bezirks Zurzach im Nordosten des Kantons. Der Ort liegt am Hochrhein an der Grenze zu Deutschland, ist vor allem für sein Thermalbad bekannt und deshalb eine beliebte Touristendestination.
Diverse Funde beweisen, dass die Gegend von Zurzach bereits während der Jungsteinzeit, seit 3000 v. Chr., besiedelt war. Spätere Funde stammen aus der Bronzezeit (1200 v. Chr.). Um 400 v. Chr. stand hier die keltische Siedlung Tenedo, die durch Gräberfunde unter der Mittskirchstrasse belegt sind. Durch die Niederlage der Helvetier gegen Julius Caesar in der Schlacht bei Bibracte (58 v. Chr.) gelangte die Region unter römische Herrschaft. Nach dem Alpenfeldzug 15. v. Chr. wurde wohl das Mittelland besetzt. Seit 14. n. Chr. gehörte der Rhein zur römischen Grenze und damit Tenedo zur Provinz Gallia Lugdunensis. Später wurde das Gebiet der Provinz Gallia Belgica zugeordnet Tenedo wurde mit seinem Rheinübergang zu einem wichtigen Militärstützpunkt in der Nähe des Legionslagers Vindonissa. Im 1. Jahrhundert ist dafür ein Kastell mit Holzbauten in 4 Etappen beim Himmelrych belegt. In seiner Umgebung lag der römische Vicus. Der römische Gutshof im Quartier Entwiesen (1.-3. Jahrhundert) wurde 265 durch Brand zerstört. Nachdem infolge des Limesfalls die römische Reichsgrenze in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts wieder an den Rhein verlegt wurde, entstand östlich der Siedlung Tenedo ein Kastell (belegt 315) und späteres Doppelkastell (belegt 367) mit der Rheinbrücke nach Rheinheim und Dangstetten mit dem Römerlager Dangstetten. Der Name Tenedo(ne) ist durch die Tabula Peutingeriana bezeugt.
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«Forum Tiberii» von Matthäus Merian
Als «Forum Tiberii» also Marktplatz des Tiberius bezeichnete Ptolemäus in seiner Geographica Hyphegesis den Ort am Rhein aufwärts gegen Kaiserstuhl AG, «Prætorium, seu Tribunal Cæsaris op.», wo Tiberius Gericht hielt. Am Rhein bei der Rheinbrücke Zurzach–Rheinheim wurde auch archäologisch eine römische Ansiedlung nachgewiesen. Nach Ägidius Tschudi hiess der Ort Zurzach einst Certiacum, später Cercach. Joseph Bader hat die Bezeichnung Tenedo auf die Stadt Tiengen verwiesen, was heute als widerlegt gilt.
In die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts geht auch nach der Legende der Aufenthalt der Heiligen Verena in Zurzach zurück. Der Legende nach stammt sie aus Theben in Ägypten und kam auf ihren Reisen in das Gebiet der heutigen Schweiz, wo sie als Christin verfolgt wurde. Nachdem sie in Salodurum (Solothurn) zuerst eingekerkert und später freigelassen worden war, zog sie weiter der Aare entlang flussabwärts auf eine Rheininsel und später nach Tenedo. Dort pflegte sie bis zu ihrem Tod die Armen und Kranken. 401 zogen die römischen Truppen ab. In den folgenden Jahren entstanden im ehemaligen Kastell Chilebuck eine Taufkirche und auf dem römischen Gräberfeld an der Strasse Richtung Vindonissa eine Grabkirche, die sich später durch die Verehrung der Heiligen Verena zu einer Wahlfahrtskirche, dem Verenamünster entwickelte.
Die Einwanderung der Alemannen ist durch Gräberfunde aus dem 6.-8. Jahrhundert belegt. In dieser Zeit entstand in Zurzach durch Wahlfahrten zur Heiligen Verena ein Doppelkloster der Benediktiner, welches 830 bezeugt ist, und damit Zuriaca erstmals urkundliche Erwähnung findet. Der Ortsname stammt aus dem spätlateinischen (prædium) Ortiacum und bedeutet «dem Ortius gehörendes Landgut». Kaiser Karl Ⅲ. verlieh das Klösterchen seiner Gemahlin. Nach seinem Tod gelangte es an das Kloster Reichenau. Über der Grabkirche entstand um 1000 eine frühromanische Kirche. Zurzach entwickelte sich zu einem bekannten Wallfahrtsort, der auch von burgundischen Königen besucht wurde, wie das Mirakelbuch aus dieser Zeit berichtet. Das Kloster Reichenau wiederum musste den vom Kloster zum Chorherrenstift gewandelten Besitz in Zurzach 1279 wegen finanzieller Probleme an das Bistum Konstanz weiterverkaufen. Infolge der Wallfahrten entwickelte sich Zurzach zu einem bedeutendem europäischen Messeort.
1415 eroberten die Eidgenossen den Aargau und Zurzach gehörte nun zur Grafschaft Baden, einer Gemeinen Herrschaft. Die Bedeutung der Messe nahm in der Folge sogar noch zu: Händler aus der ganzen Eidgenossenschaft, aus Süddeutschland und sogar aus den Niederlanden, Mailand und Polen kamen nach Zurzach, um ihre Waren anzupreisen. Höhepunkt war jeweils der Verenatag am 1. September. Die Händler profitierten vom Zollfreistatus des Marktfleckens und der günstigen Lage in der Nähe der Mündung der Aare in den Rhein. Nach der Reformation 1529 als Nachahmung des Zürcher Bildersturms wurden ein Teil der Kulturgüter des Stiftes verbrannt. Die fliehenden Chorherren konnten die noch heute im Kirchenschatz vorhandenen Gegenstände retten. In der Folge der Reformation verlor Zurzach seine Bedeutung als Wallfahrtsort. Obwohl der Versuch im 16. Jahrhundert für Zurzach das Stadtrecht zu erhalten, scheiterte, hatte sich der Messeort zu einem Flecken mit städtischem Aussehen, wie der Stich von Merian «Forum Tiberii Zurzach» zeigt, entwickelt.
Im Jahr 1798 marschierten die Franzosen in die Schweiz ein. Unter ihrem Druck wurde im März 1798 die Helvetische Republik ausgerufen. Zurzach wurde Distrikthauptort im Kanton Baden. Seit der Gründung des Kantons Aargau im Jahr 1803 ist Zurzach Bezirkshauptort. Die Messe verlor im Laufe des 19. Jahrhunderts auch infolge der veränderten Verkehrsströme durch den Bau der Eisenbahnen immer mehr an Bedeutung; 1855 fand die letzte Ledermesse statt. Das Benediktiner Chorherrenstift St.Verena bestand bis zur Auflösung am 17. Mai 1876. Letzter Chorherr war der Chronist von Zurzach, Johann Huber (1812–1879) aus Hägglingen.
Zurzach drohte in die Bedeutungslosigkeit abzusinken. Doch 1872 nutzte der Textilfabrikant Jakob Zuberbühler die leerstehenden Häuser und zog von Baden nach Zurzach. Seine Firma entwickelte sich zum Grossunternehmen. Zusammen mit der Eröffnung der Bahnstrecke Winterthur–Bülach–Koblenz 1876 zog das Industriezeitalter in Zurzach ein. Ab 1900 entwickelte sich Minet vom Korbwarenproduzent zum Möbelhersteller. Nach Jahrhunderten der Fährbetriebe konnte 1907 die heute noch bestehende Brücke über den Rhein eingeweiht werden. 1914 entdeckte man bei Zurzach ein unterirdisches Salzlager, das mit Salinen ausgebeutet wurde. Die hölzernen Bohrtürme sind heute noch Zeuge dieser Zeit. Die Schweizerische Sodafabrik (heute Solvay) liess sich hier nieder und entwickelte sich über die Jahrzehnte zu einem international tätigen Chemiekonzern. Bei den Salzbohrungen entdeckte man auch eine Thermalquelle, die aber zunächst wieder zubetoniert wurde.
Nach dem Ersten Weltkrieg verloren die von Zuberbühler aufgebauten Firmen durch Misswirtschaft zunehmend an Einfluss und gingen 1929 in Konkurs. Dessen Ruinen nutzte 1934 Firma Spiesshofer & Braun (heute Triumph International) mit der Produktion ihrer Miederwaren. Zuberbühlers Schuhfabrik gehörte ab 1945 Odermatt & Co. AG und damit die Villa Himmelrych. Der Zweite Weltkrieg ging auch an Zurzach nicht vorüber: Grenzschliessung, Militär und Bunker dem Rhein entlang.
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Salinen von Zurzach — hölzerne Bohrtürme
Am 5. September 1955 war genügend Geld vorhanden, um die Thermalquelle erneut anzubohren. Das heisse Wasser brachte die ersten Kurgäste nach Zurzach, das sich in den nächsten Jahren zu einem der bedeutendsten Thermalkurorte der Schweiz entwickelte. Ab 1957 füllte man das mineralhaltige Wasser auch in Flaschen ab. 1964 wurde das vom Schweizer Architekten Fedor Altherr entworfene Turmhotel der Thermalquelle AG gebaut, das heute als Wahrzeichen von Bad Zurzach gilt. Neben den bereits genannten Firmen produziert seit 1964 auch Kägi, ein Küchenbauer aus Winterthur in Zurzach. 1973 eröffnete eine Rheuma- und Rehabilitationsklinik. 1978 wurde die Villa Himmelrych von Hugo Ammann renoviert und als Deusser-Museum mit dem Namen Schloss Zurzach eingerichtet. Das Bäderquartier wurde mit Hotels und modernem Thermalbad ausgebaut. 1991 folgte ein Fortbildungszentrum für Physio- und Ergotherapie. Inzwischen ist die Industrie in Zurzach massiv geschrumpft. Minet schloss seine Tore, Solvay AG folgte einige Jahre später mit der Niederlegung der Produktion am Standort Zurzach. Das Gelände der Firmen wurde zu einem Gewerbehaus resp. Industriepark umgewandelt. Bereits 1973 ging Odermatt & Co. AG mit seinen Oco-Schuhen in Konkurs und die Kägi in den 1980-ern. Triumph International stellte seine Produktion in Zurzach ein und ist nur noch Verwaltungssitz. Dafür wurde der medizinische Bereich weiter ausgeweitet. 2004 eröffnete das TCM Ming Dao, welches als ambulanter Ableger der Reha-Clinic Zurzach chinesische Medizin anbietet.
Am 21. Mai 2006 stimmten die Stimmberechtigten einer Namensänderung der Gemeinde an der Urne zu. Die Gemeinde nannte sich ab 1. August 2006 Bad Zurzach, obwohl die offiziellen Genehmigungen des Bundes erst am 1. Dezember 2006 Rechtskraft erlangten. Die Namensänderung war bereits 1994 in einer Gemeindeversammlung angenommen worden, wurde danach aber in einem Referendum an der Urne abgelehnt.
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