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Ge­mein­schafts­hof Nie­der­we­nin­gen

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Nie­der­we­nin­gen — In­fra­struk­tur

Ge­mein­schafts­hof Nie­der­we­nin­gen

Auszug aus dem Tages-Anzeiger vom 28. Mai 2016

Die Alten gehören ins Dorfzentrum

In Niederweningen ist eine alternative Wohnform für ältere Menschen entstanden. Sie könnte beispielhaft für die Zukunft werden.

Denise Marquard

Wenn es im Kan­ton Zü­rich so et­was wie ein in­tak­tes Dorf gibt mit blü­hen­den Gär­ten und Kat­zen, die faul in der Son­ne lie­gen, dann dürf­te dies Nie­der­we­nin­gen sein. Wenn es im Kan­ton Zü­rich so et­was wie die per­fek­ten Al­ters­woh­nun­gen gibt, dann be­fin­den sich die­se neu­er­dings eben­falls in Nie­der­we­nin­gen. Auf dem Ge­län­de eines ehe­ma­li­gen Bau­ern­ho­fes ist eine mo­der­ne Va­ri­an­te eines Rie­gel­baus ent­stan­den. Er könn­te zum Vor­bild da­für wer­den, wie äl­te­re Men­schen künf­tig le­ben wer­den.

Golfen, eine Kreuz­fahrt ma­chen oder mit dem Al­ters-GA durch das Land rei­sen: So lau­tet die land­läu­fi­ge Vor­stel­lung von zu­frie­de­nen äl­te­ren Men­schen. Eine Fehl­an­zei­ge: Vie­le äl­te­re Men­schen füh­len sich dann wohl, wenn sie in eine Ge­mein­schaft ein­ge­bet­tet sind und das Ge­fühl ha­ben, ge­braucht zu wer­den. In Nie­der­we­ni­gen ist auf Ini­tia­ti­ve von Dorf­be­woh­nern ein Ge­mein­schafts­hof mit 15 Woh­nun­gen für Men­schen ab 60 Jah­ren ent­stan­den. Ge­mein­sam statt ein­sam soll hier ge­lebt wer­den. «Die Be­woh­ner kön­nen sich ih­ren Fä­hig­kei­ten ent­spre­chend für die Ge­mein­schaft en­ga­gie­ren», sagt Do­ro­thée Rein­hart vom Trä­ger­ver­ein.

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«Körperlich fit bleiben»

Der Gemein­schafts­hof ist kei­ne so­zi­al­ro­man­ti­sche Vor­stel­lung. So­zia­le Kon­tak­te sind das Wich­tig­ste für ein ge­sun­des Al­ter, wich­ti­ger noch als nicht mehr rau­chen oder trin­ken. Das weist die ka­na­di­sche Psy­cho­lo­gin Su­san Pin­kert in ih­rem Buch «The Vil­lage Ef­fect» nach. Auch die vom Gott­lieb-Dutt­wei­ler-In­sti­tut ver­fass­te Stu­die «Fluid Care» über die Pfle­ge im Al­ter kommt zu ähn­li­chen Er­geb­nis­sen und for­dert, ge­ra­de äl­te­re Men­schen soll­ten mit­ten im Ge­sche­hen und nicht ab­seits le­ben.

Der Gemein­schafts­hof in Nie­der­we­nin­gen steht mit­ten im Dorf. «Die zen­tra­le La­ge des Hau­ses war uns wich­tig», sagt Do­ro­thée Rein­hart. So kön­nen die Be­woh­ner selbst­stän­dig ein­kau­fen oder zum Arzt ge­hen.

«Wer hier woh­nen will, muss kör­per­lich und geis­tig fit blei­ben und sich selbst or­ga­ni­sie­ren kön­nen», sagt Urs Bürch­ler, der Prä­si­dent der Ge­nos­sen­schaft Ge­mein­schafts­hof. Es gibt ver­schie­de­ne Mög­lich­kei­ten, die­sen An­spruch in die Tat um­zu­set­zen: Gleich ne­ben dem Ge­mein­schafts­hof exi­stiert ein 2,5 Hek­ta­ren gros­ser Na­tur­gar­ten. Ag­ro­no­min Kat­rin Bürch­ler pflanzt dort bio­lo­gi­sches Ge­mü­se, Bee­ren, Obst und Kräu­ter an und wä­re auf die ak­ti­ve Un­ter­stüt­zung der Be­woh­ner an­ge­wie­sen. Doch die Mit­hil­fe ist frei­wil­lig. Das gilt auch für den im al­ten Wasch­häus­chen ge­plan­ten Hof­la­den. Nach der Re­no­va­ti­on wer­den dort Ge­mü­se, Früch­te, Si­rup oder eige­ne Kon­fi­tü­re ver­kauft.

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Alles ist noch neu. Der letz­te Mie­ter ist erst am 10. Mai in den Ge­mein­schafts­hof ein­ge­zo­gen. Das Kon­zept wird nun schritt­wei­se um­ge­setzt. Da­zu ge­hört die Or­ga­ni­sa­ti­on des Treff­punkts in einem gros­sen Ge­mein­schafts­raum mit Kü­che. Dort soll ein Be­geg­nungs­ort ent­ste­hen, auch für die Dorf­be­völ­ke­rung. Im Pro­gramm sind Spiel­nach­mit­ta­ge für äl­te­re Men­schen, ge­plant sind Mit­tags­tisch so­wie ein Früh­schop­pen am Sonn­tag. Or­ga­ni­siert wer­den die An­läs­se je­weils von Be­woh­nern des Ge­mein­schafts­ho­fes.

Dabei han­delt es sich nicht um Aus­nah­men. Ob der Gar­ten be­stellt oder das Bio­top ge­pflegt wer­den muss: Im­mer le­gen die Be­woh­ne­rin­nen selbst Hand an. Es gibt kei­nen Haus­wart, des­halb ist ein Haus­be­woh­ner für den Un­ter­halt der tech­ni­schen An­la­gen ver­ant­wort­lich. Eine an­de­re Be­woh­ne­rin be­glei­tet, falls ge­wünscht, an­de­re beim Ein­kau­fen.

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Den Gemeinderat überzeugt

Die Ini­tian­tin des Ge­mein­schafts­ho­fes ist die 33-jäh­ri­ge Kat­rin Bürch­ler. Sie be­tei­lig­te sich mit ih­rem Pro­jekt an einem Wett­be­werb, der al­ter­na­ti­ve Wohn­for­men für äl­te­re Men­schen un­ter­stützt. En­de 2009 stell­te sie eine Pro­jekt­grup­pe zu­sam­men und prä­sen­tier­te ih­re Idee dem Ge­mein­de­rat. Zu­nächst re­agier­te die­ser auf den Vor­schlag, zu­sam­men zu woh­nen und zu ar­bei­ten, mit Skep­sis. Als Bürch­ler aus der Ver­pflich­tung zur Ar­beit eine Frei­wil­lig­keit mach­te, stimm­te der Ge­mein­de­rat dem Kon­zept zu, nicht zu­letzt, weil es in Nie­der­we­nin­gen bis da­hin zu we­nig be­zahl­ba­re Woh­nun­gen für äl­te­re Men­schen gab.

Nach dem Pla­zet des Ge­mein­de­ra­tes ging es Schlag auf Schlag. 6,2 Mil­lio­nen kos­te­te der Ge­mein­schafts­hof samt Land. Heu­te ge­hört das Ge­bäu­de 138 Ge­nos­sen­schaf­tern, die Ge­mein­de be­tei­lig­te sich mit 450'000 Fran­ken am Land­kauf und schoss 50'000 Fran­ken in das Ge­nos­sen­schafts­ka­pi­tal ein. Die gün­stig­ste 2½-Zim­mer-Woh­nung kos­tet 720 Fran­ken, die teu­er­ste 3½-Zim­mer-Woh­nung 2'070 Fran­ken. «Wir ha­ben uns in ein Aben­teu­er ge­stürzt» sagt Rein­hart. «Doch mit dem Re­sul­tat sind wir glück­lich.»


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Erich Brauchli
Erich Brauchli (erich@brauchli.eu) für Kom­men­ta­re je­der Art, für ho­chauf­lö­sen­de elek­tro­ni­sche Ko­pie oder Pa­pier-Ab­zü­ge (auch Post­kar­te oder bis A3).